Kuschelige Perfektion

Über die Schrift auf diesen Seiten

 

| Als Microsoft es vor knapp zehn Jahren endlich verstand, wie wichtig das World Wide Web einst werden würde, überschlug der Software-Konzern sich plötzlich im Aktionismus: Man stürzte sich 1996 ins Geschäft, positionierte den Internet Explorer sehr aggressiv gegen den Netscape Navigator und trat damit den ersten Browser-War los.

Was das mit der »Georgia« zu tun hat? Nun, 1996 startete Microsoft auch die Initiative »TrueType core fonts for the Web«. Eine Sammlung von Schriften, die jeder frei herunterladen durfte und die als kleinster gemeinsamer Nenner der in HTML einsetzbaren Schriftsätze gelten sollte. Und dabei ist es an sich auch geblieben, obwohl Microsoft die Schriften eine geraume Zeit nicht mehr offiziell zum Download anbot – sie sind dennoch auf fast jedem System zu finden. Entweder als Systemschrift oder im Bundle mit Browser oder Office-Paket: Sowohl Windows- als auch Mac-OS-Nutzer haben die wichtigsten core fonts auf ihrem Rechner.

Nun ist das typografische Image von Microsoft mit der Arial (1989) zwar arg beschädigt worden, konnte sich jedoch einigermaßen erholen. Nicht ganz unschuldig daran ist die Georgia. Sie wurde 1996 von Matthew Carter für das »core fonts«-Paket entworfen und galt dann lange als die einzig brauchbare Serifenschrift im Web.

Matthew Carter ist einer der bedeutendsten lebenden Schriftgestalter. Er zeichnet seit mehr als 40 Jahren Schriften, gründete 1981 Bitstream und besitzt nun seine eigene Schriftlabel.


Charakteristik

Die Georgia ist eine moderne und saubere Barock-Antiqua. Ihre Formsprache ist homogen gestaltet – man merkt ihr an, dass sie mit besonderem Blick auf die Bildschirmdarstellung konzipiert wurde, wo feine Details verloren gehen.

 

Gewisse Ähnlichkeiten zu anderen Schriften lassen sich oft nicht vermeiden. Spontan erinnert die Georgia sehr an die Utopia von 1989, eine zurzeit sehr beliebte Schrift (Financial Times Deutschland, Jung v. Matt). Die Georgia hat jedoch formal einen etwas stärkeren Hang zum Klassizismus, wie man an den ausgeprägten Tropfen beim kleinen a und r gut erkennen kann.

 

Beide Fonts schaffen es auf wundersame Weise, die an sich perfekten und neutralen Kurven mit einer wohligen Wärme auszustatten. Das schafft sofort eine sympathische Atmosphäre beim Lesen. Das Gute daran: Man weiß als Leser gar nicht so recht, woran das liegt. Und das ist letztlich das Hauptziel einer guten Satzschrift.

 

Wie schon angedeutet, leistet sich die Georgia keinerlei Auffälligkeiten bei den Buchstabenformen. Jedes Detail ist da, wo man es vermuten würde – es gibt keine Buchstaben, die auf sich aufmerksam machen. Selbst das kleine g bleibt weitestgehend inkognito. Ich weiß, dass dies eigentlich keine besonders guten Eigenschaften für eine klassische Druck-/Satzschrift sind. Kleine Unregelmäßigkeiten und »Haken« machen das Schriftbild unverwechselbar und das Auge kann Wortbilder schneller und besser erfassen. Doch die Herkunft der Georgia ist nun mal der Screen. Und wenn man dies bedenkt, schlägt sie sich auch auf dem Papier ganz hervorragend. Man drucke sich zum Vergleich einmmal die ebenfalls screenoptimierte Verdana aus.

 

Umfang/Ausbau

Glänzende Augen bekommt, wer zu schätzen weiß, wie umfangreich die Georgia ausgebaut ist – zumindest für eine freie Schrift. Zur Regular gesellt sich eine sehr gefällige Bold. Und beide Fetten bekamen je eine wunderhübsche kursive Schwester spendiert: eine klassische Vierer-Schriftfamilie.

Georgia Regular  Georgia Bold  Georgia Kursiv  Georgia Bold Kursiv

Gut gefallen an der Georgia die Mediävalziffern; die Ziffern mit Unter- und Oberlängen fügen sich harmonisch in das Satzbild ein.

1234567890 1234567890 1234567890 1234567890

 

Bei den Sonderzeichen ist Standardkost angesagt. Immerhin eine fi- und eine fl-Ligatur, sowie die wichtigsten Währungszeichen im angepassten Formgewand. Hier ist ein Schriftmusterblatt einzusehen.

 

Die Georgia in der Praxis

Was kann man hier noch sagen, was noch nicht gesagt ist? Natürlich ist die Georgia gut für Websites geeignet, aber auch für PDF-Magazine, die am Bildschirm gelesen werden sollen

Die Georgia ist aufgrund ihrer neutralen Formen für viele Zwecke geeignet. Und zwar sowohl im Lauftext als auch in Überschriften. Zu kühl und präzise sollten die Themen allerdings nicht werden. Georgia ist keine Schrift für technokratische Gemüter. Sie ist ausgeglichen und warm, dabei immer zurückhaltend und vermeldet keinerlei Ansprüche, wiedererkannt oder aufgrund ihrer Schönheit bewundert zu werden. Sie ist eine genügsame Schrift für alle alltäglichen Aufgaben.

Wer die abgenutzte Times New Roman so richtig satt hat, greift entweder zur »Lido« von Frantisek Stormoder eben zur deutlich wärmeren Georgia.